REWIND – Die zweite Chance

Spielfilm

„In Einstein’s equation, time is a river. It speeds up, meanders, and slows down. The new wrinkle is that it can have whirlpools and fork into two rivers. So, if the river of time can be bent into a pretzel, create whirlpools and fork into two rivers, then time travel cannot be ruled out.“



— Michio Kaku Physiker

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Kommissar Richard Lenders ermittelt in einem Mordfall. Dabei lernt er ein Team von Teilchen-Physikern kennen, die ihm helfen sollen, die komplexen Formeln, die man bei dem Toten fand, zu entschlüsseln.

Als Lenders und sein Kollege bei der Autopsie auf einen implantierten Chip im Kopf des Opfers stoßen, werden sie mit der absurden Möglichkeit konfrontiert, dass der Tote eventuell aus einer anderen Zeit stammt.

Ein weiterer Mord geschieht, der einem ähnlichen Muster zu folgen scheint. Während die Kommissare versuchen den Mörder zu finden, wächst in Lenders eine Sehnsucht: könnte er den Chip nutzen um die Morde zu verhindern und seine eigene Vergangenheit zu ändern?

Kritik Kinozeit · 2017

Rewind – Die zweite Chance

Eine Filmkritik von Harald Mühlbeyer

Surfen auf Wahrscheinlichkeitswellen

Johannes F. Sievert ist zusammen mit Dominik Graf Regisseur der beiden Dokumentarfilme Verfluchte Liebe Deutscher Film und Offene Wunde Deutscher Film – Porträt von, Essay über und Propaganda für ein anderes deutsches Kino, eines, das im Genre verwurzelt ist, im Populären, mit Hang zum B-Picture, ohne seicht oder populistisch zu werden. Ein Kino, das in den 1970ern, zwischen Neuem Deutschem Film auf der einen, Schulmädchen auf der anderen Seite, eine kleine Nische von Action & Crime gefunden, es aber nie zu einem Großphänomen geschafft hat. Rewind ist Sieverts eigener Beitrag zu dieser Geschichte deutscher Genrefilme – Tatort goes Zeitreise.

Gleich in der ersten Sequenz ist wahnsinnig viel los. Eine Autofahrt. Ein Schmetterling. Kinder. Ein Radfahrer. Ein Rempler. Ein Unfall. Polizei. Ein Einsatz. Eine Geiselnahme. Ein Banküberfall. Eine Panikattacke. Ein Schuss. Ein furioser Auftakt, von dem man sich eigentlich erst einmal erholen müsste. Atempause gibt es aber keine, ein Zeitsprung um ein paar Monate zeigt Richard Lenders, Polizeikommissar, der mittendrin war in dem ganzen Schlamassel, wieder im Dienst, voll Trauer und Trauma. Und wir sehen einen Mann, den wir kennen, der am Anfang zu sehen war, mehrmals, und der nun ermordet wird. Lenders und sein Partner Gerbaulet nehmen sich des Falles an, sie sehen bald den Zusammenhang mit dem Überfall vom Anfang, es beginnt die übliche Spurensuche, das Hangeln von Indiz zu Indiz, das Grundgesetz, Grundrezept und Grundgerüst eines Polizei-Ermittlungskrimis ist. Ein Kompass. Ein Schlüsselbund. Zahlen, die Koordinaten sind. Im Wald vergraben: Eine Festplatte. Verschlüsselt. Und langsam gleitet der Film über in Gefilde, die wir nicht für möglich gehalten hätten.

Nicht schlagartig, sondern langsam und erstmal unmerklich kommen wir ins völlig Abgefahrene. Auf der Festplatte: Formeln der Quantenmechanik. Im Schädel des Toten: Ein Chip. An der Uni: Eine Doktorandin, die über Teleportation forscht, die experimentell die Quantenmechanik nachbaut, die die Formeln versteht. Und was harter Krimi war, wird zu einer Art Wissenschafts-Phantastik umgeformt, ohne die Detektivarbeit aufzugeben. Parallelwelten, Einsteins „spukhafte Fernwirkung“, Heisenbergs Unschärferelation, Wahrscheinlichkeitswellen und Selbstübereinstimmungsgebot: Quanten sind ein unglaublich reichhaltiges Thema, wenn man filmisch auf Mindfuck setzen will.

Vergangenheit verändern zu wollen führt zu Paradoxa, die Sievert mit wissenschaftlichem Jargon überbügelt, im Wissen, dass diese unbekannte Welt eine unheimliche Faszinationskraft ausübt, in der die kleinsten Teilchen mit ihren magischen Wirkungen die Realität umbiegen. Wenn man Quanten beobachtet, ändern sie ihr Verhalten; wenn man sie steuern kann, ist alles möglich.

Inmitten der Konventionen – der knurrige Vorgesetzte als bewusst eingesetzte Klischeefigur – inszeniert Sievert einerseits rasante Action und spannende Ermittlungsarbeit, andererseits baut er eine Science-Fiction-Ebene auf, die, genau besehen, in höheren Blödsinn führt – aber das mit solcher Chuzpe, mit solcher Unbekümmertheit, dass wir gerne folgen. Und irgendwann scheint sich tatsächlich so etwas wie ein Sinn dahinter einzustellen; weil die Trauer und Melancholie ohnehin den Film atmosphärisch bestimmt, bis man sie, vielleicht, mittels Quantenchip und genügend Volt wegpusten kann. Und weil am Ende sich offenbart, dass ein kleiner Schmetterling tatsächlich einen Wirbelsturm der Ereignisse verhindern kann.

Martina Horbach (FMS) • Raimond Goebel (Pandora Film) • Regisseur Johannes F. Sievert • Redakteur Frank Tönsmann (WDR) • Idil Üner und Enno Kalisch © Real Fiction / Mathis Hansbach

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